27.04.2023
Nun gilt es in Zusammenarbeit mit der Tourismuszentrale eine tragfähige Fassung zu erarbeiten.
Auszug:
Gemeinsame Stellungnahme zur Satzung der Hanse- und Universitätsstadt Rostock zur
Erhebung der Kurabgabe (Kurabgabesatzung)
Sehr geehrte Damen und Herren,
nachdem die Beschlussfassung zur Kurabgabesatzung am 29.03.2023 auf Hinwirken vieler
von der Tagesordnung der Sitzung der Rostocker Bürgerschaft genommen wurde, sind wir
gemeinsam mit Verbänden, Unternehmen und weiteren Partnern in den intensiven Austausch
gegangen. Grundsätzlich bedauern wir sehr, dass die Hanse- und Universitätsstadt Rostock in
Vorbereitung dieser so wichtigen Angelegenheit nicht schon rechtzeitig die Kommunikation mit
den Partnern vor Ort gesucht hat.
So ist ein Entwurf entstanden, der von den Tourismus-Akteuren, dem Einzelhandel und
weiteren Wirtschaftskreisen der Stadt in dieser Form nicht akzeptiert werden kann.
Gemeinsam hätte ein innovatives, gemeinsam getragenes Modell erarbeitet werden können.
Dies ist leider nicht erfolgt.
Nach Sichtung der zur Beschlussfassung stehenden Kurabgabesatzung in verschiedenen
Gremien der Unterzeichner, möchten wir wie folgt Stellung nehmen:
ÖPNV – Pauschale
Zur Steigerung der Reisequalität in unserer Tourismusregion, der Entzerrung der
Verkehrsströme, der potenziellen Staugefahr an An- und Abreisetagen (Bettenwechsel), aber
auch im Sinne der Nachhaltigkeit ist der grundsätzliche Gedanke einer Refinanzierung des
ÖPNV im Gesamtnetz des VVW zu begrüßen. Bereits in der Stellungnahme der IHK zu
Rostock zum Mobilitätsplan Zukunft (MOPZ) vom 30. Januar 2017 wurde eine fehlende
Analyse des vorhandenen Verkehrsnetzes und der Verkehrsangebote sowie die Entwicklung
der Verkehrsmengen bemängelt. Auch Ableitungen aus der Tourismusentwicklung fehlten
gänzlich. Auch heute fehlt es noch immer an Kenntnis über Daten, was die Auslastung der
vorhandenen Verkehrsmittel betrifft. In Verbindung mit dem nun eingeführten 49 €-Ticket, wo
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ebenfalls noch unklar ist, wie viele Touristen dies nutzen werden, ist die Einführung einer
Pauschale für den ÖPNV, auch unter Berücksichtigung der nicht inkludierten Verkehrsmittel
wie den Fähren oder der Molli, in Höhe von 1,45 EUR den Gästen, die z.B. das 49 €-Ticket
nutzen, nicht vermittelbar.
Wir fordern daher eine Verschiebung der Einführung einer solchen Pauschale und
gleichermaßen die Erhebung relevanter Daten durch die Verkehrsbetriebe, um dann eine neue
Kalkulation unter Berücksichtigung des Nutzerverhaltens vornehmen zu können. Da die
Pauschale für die Stadt nur ein durchlaufender Posten sein sollte, dürfte einer Verschiebung
nichts entgegenstehen.
Befreiungen/Ermäßigungen
Die derzeit gültige Kurabgabesatzung sieht vor, dass Kinder bis 16 Jahre sowie Menschen mit
einem Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 80 % sowie deren Begleitperson keine
Kurabgabe zahlen.
Mit der neuen Tourismuskonzeption für die Hansestadt werden Familien als Hauptzielgruppe
in den Fokus gestellt. Die nun geplante Befreiung nur bis zum 5. Lebensjahr und keinerlei
Möglichkeit der Befreiung von schwerbehinderten Menschen stellt für uns eine massive
Verschlechterung sowie einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Destinationen dar und
steht im Widerspruch zur angedachten Zielgruppenbearbeitung der Tourismuskonzeption.
Auch der ermäßigte Satz soll nur noch bis zu einem Alter von maximal 14 Jahren bzw. einem
Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 80 % möglich sein und ist somit ebenso
widersprüchlich.
Wir fordern daher die Beibehaltung der bisherigen Regelung.
Berechnung Kurabgabe bei An- und Abreise
Eine Berechnung der Kurabgabe für den An- und Abreisetag als zwei Aufenthaltstage mit dem
vollen Satz, mag rechtlich zwar begründbar sein, ist für uns aber nicht verhältnismäßig und so
nicht akzeptabel. Die gastseitige Belastung würde sich so um ca. 230 Prozent für ein und
dieselbe Leistung erhöhen.
Nach der nun zu beschließenden Regelung sollen auch Tages-Reisende (z.B. Radwanderer
oder Veranstaltungsgäste aus privatem Anlass) mit bspw. einer einzigen Übernachtung
(Anreise ab 15 Uhr, Abreise bis 10 Uhr, Kosten 7,40 EUR p.P.), Wochenendausflügler
(Übernachtung Freitag-Sonntag, Kosten 11,10 EUR p.P.), ggf. aber auch Touristen auf
Durchreise, eine Kurabgabe für jeden einzelnen Tag zahlen.
Wir fordern daher die Beibehaltung der aktuellen Regelung mit der jeweils hälftigen Kurabgabe
für den Anreise- bzw. Abreisetag.
Saisonalität
Vergleichbar mit anderen Kommunen sollte die ganzjährige Kurabgabe mit unterschiedlichen
Beiträgen in der Haupt- und Nebensaison gestaffelt werden. Das touristische Angebot in der
Nebensaison ist nicht vergleichbar mit dem in der Hauptsaison. Auch weitere Kosten, z.B. für
die Strandbewirtschaftung dürften sich hier saisonbedingt unterscheiden. Die Mehreinnahmen
in der Hauptsaison könnten somit einen ermäßigten Beitrag in der Nebensaison ermöglichen
und ausgleichen. Die Attraktivität der Nebensaison würde somit nicht beeinträchtigt werden.
Tagestouristen, Kreuzfahrtgäste sowie touristisches Angebot
Es ist fraglich, für welches touristische Angebot die Gäste außerhalb von Warnemünde als
Tagesgäste Kurabgabe zahlen sollen. Der Mehrwert, den ein vermeintlicher Tourismusort
beim Gast suggeriert, ist als solches im Stadtgebiet nicht erkennbar. Welche touristischen
Leistungen sollen hier zu Erholungszwecken nutzbar sein? Welche Leistungen sollen
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entwickelt werden? Die kostenfreie Nutzung der öffentlichen Bedürfnisanlagen kann hier nicht
das Angebot und die Zielstellung sein, zumal in diesem Bereich ca. 600.000 Euro lediglich auf
die Tourismuszentrale und damit in die Kalkulation der Kurabgabe „verlagert“ werden. Hiermit
werden aber keine „touristischen Mehrwerte“ geschaffen.
Es mangelt in der Satzung an klar formulierten touristischen Angeboten, die dem Gast konkret
und idealerweise zusätzlich gemacht werden. Ein entsprechendes Konzept, auch zur
Mittelverwendung, liegt nicht vor. Es fehlt die Benennung der konkreten Punkte für die
Mehraufwendungen zum quantitativ bzw. qualitativ messbaren Mehrwert für den Gast. Wir
fordern das explizite Aufzeigen des gastseitigen Mehrwertes.
Die Satzung in ihrer jetzt angedachten Form besagt, dass nach § 2 Abs. 2 „die Kurabgabe
unabhängig davon zu zahlen ist, ob und in welchem Umfang die Angebote (…) tatsächlich
genutzt bzw. in Anspruch genommen werden.“ Das bedeutet, dass der Gast abgabepflichtig
ist, sobald nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Leistung besteht. Dies steht im
Widerspruch mit den Aufgaben, die die Hanse- und Universitätsstadt Rostock als Oberzentrum
zu erfüllen hat. Oberzentren dienen der Deckung der Grundversorgung, des langfristigen, d. h.
„gehobenen“ sowie des „spezialisierten, höheren“ Bedarfs. Hierzu zählen z. B. Hochschulen,
spezialisierte Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, Theater/Opernhäuser und
Sportstadien usw.
Wir sind in großer Sorge und sehen eine massive Gefahr, dass die Attraktivität und Stellung
der Innenstadt wie auch anderer Stadtteile weiter geschwächt wird. Einkaufswillige Gäste,
Einheimische aus der Region usw. müssen nach dem jetzigen Wortlaut, d.h. bezogen auf die
„Möglichkeit“, ebenso Kurabgabe zahlen, auch wenn sie nur zu Einkaufszwecken in der Stadt
sind. Die Entscheidung, mit Blick auf die Höhe der Kurabgabe, der Parkgebühren etc. dann
doch in Einkaufsmöglichkeiten im Landkreis und konkurrierenden Oberzentren auszuweichen,
ist für Gäste und Besucher ein leichtes und stellt eine große Bedrohung dar. Die fehlenden
Einnahmen werden sich perspektivisch auch auf die Erlöse aus Gewerbesteuer usw.
auswirken und haben somit direkte Auswirkung auf den städtischen Haushalt.
Auch muss es möglich sein, Verwandte und Bekannte besuchen zu können, ohne
kurabgabepflichtig zu werden. Hier sollte explizit auf den sozialen Aspekt geschaut werden.
Besuche in Kranken- und Pflegeeinrichtungen allein, sind zwar nicht abgabepflichtig, dennoch
besteht für die Besucher lt. Satzung die Möglichkeit eine touristische Leistung in Anspruch zu
nehmen.
Die Satzung sollte inhaltlich mindestens dahingehend verändert werden, dass eine Kurabgabe
nur und ausschließlich dann erhoben werden darf, wenn der Aufenthalt zu Kur- und
Erholungszwecken dient und nicht nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme besteht.
Gäste, die in Rostock eine Kurabgabe entrichtet haben und einen Ausflug in den Landkreis,
z.B. nach Kühlungsborn unternehmen, müssen dort erneut Kurabgabe zahlen. Diese
Doppelbelastung sollte abgeschafft und die Region als touristische Destinationen mit
einheitlichen Regelungen betrachtet werden, um auch das Ansehen der Region bei den
Gästen nicht dauerhaft negativ zu prägen.
Da hier insgesamt großes Unverständnis in der Ausgestaltung besteht, fordern wir auch
diesen Punkt zu verschieben, um möglichst gemeinsam mit dem Land ein
regionsübergreifendes Modell zu erarbeiten.
Schaffung technischer Voraussetzungen
Laut Aussage der Tourismuszentrale Rostock-Warnemünde sollen die Strukturen zur
Erfassung der Tagesgäste sukzessive erweitert werden. Denkbar seien
„Kurabgabeautomaten, Kombination mit Parkautomaten und Parking-Apps sowie digitale
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Kaufmöglichkeiten“. Eine solche Aussage ist nicht akzeptabel. Die zur Erhebung notwendige
Ausstattung (Software, Automaten etc.) müssen vor Beginn einer etwaigen Abgabepflicht
vollständig und funktionsfähig zur Verfügung stehen. Die Satzung beschreibt in § 10 (2) VII.,
dass Quartiergeber verpflichtet sind, „das von der Stadt vorgegebene elektronische
Meldeverfahren zu nutzen. Die Meldung hat innerhalb eines Werktages nach der Ankunft des
Gastes zu erfolgen“. Hierbei sollte zwingend darauf geachtet werden, dass nicht ein neues
System in den Unternehmen implementiert werden muss, sondern Schnittstellen zu
vorhandenen Datenerfassungssystemen genutzt werden. Der Aufwand für die Betriebe unter
Berücksichtigung des fortwährenden Arbeitskräftemangels, stellt eine massive Mehrbelastung
und einen daraus resultierenden Qualitätsverlust dar, da durch diese bürokratischen Hürden
Zeit für andere Tätigkeiten verloren geht. Viele Unternehmen haben in den vergangenen
Jahren, nicht zuletzt zur Vermeidung von Kontakten, Prozesse, gerade beim Check-In und
Check-Out, auf digitale Lösungen umgestellt und hier auch entsprechend investiert. Die
Erwartung einer digitalen, nachhaltigen Lösung ist auch beim Gast vorhanden und muss auch
so umsetzbar sein. Die bisher veranschlagten Ausgleichszahlungen dürften perspektivisch
ebenfalls nicht mehr im Verhältnis stehen.
Widerspruch zur bestehenden Bäderverkaufsverordnung
Warnemünde hat als prädikatisierter Ort in der aktuell gültigen Bäderverkaufsverordnung die
Möglichkeit der Sonntagsöffnung innerhalb der darin geregelten Saisonzeit. Diesen
Wettbewerbsvorteil können alle anderen Stadtteile der Hanse- und Universitätsstadt Rostock
nicht nutzen. Mit der Prädikatisierung als Tourismusort sollte dies perspektivisch auch für das
gesamte Stadtgebiet möglich sein.
Alles in allem bitten wir um eine erneute Verschiebung des Bürgerschaftsbeschlusses wegen
dringend notwendiger Überarbeitung und bieten gleichzeitig im Prozess weiterhin unsere
Unterstützung an, um letztendlich eine vertretbare, aber auch praktikable Regelung finden zu
können.